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Ehring geht online ins Konzert

Gott empfiehlt: Bach mit Christian Ehring und den Düsseldorfer Symphonikern. Wenn das Corona-Virus das Publikum daran hindert, in die Tonhalle zu gehen, dann kommt die Musik eben online in die Wohnzimmer der Zuschauer. Seit zehn Jahren moderiert der Kabarettist erfolgreich die Reihe Ehring geht ins Konzert. Die Mischung aus klassischer Musik gepaart mit kurzweiligen Einführungen und Erklärungen, zu dem was die jeweiligen Orchester darbieten, kommt gut an und schafft es auch Online den Funken überspringen zu lassen.

Ein Foto aus Vor-Corona-Tagen. Christian Ehring geht live vor Publikum ins Konzert. - Foto: Susanne Diesner

Zugegeben, es hat schon ein anderes Flair, wenn man sich Sonntagsnachmittags auf den Weg in die Tonhalle macht, um Musik live zu erleben, als zuhause vor dem Rechner zu sitzen und das Geschehen per Live-Stream zu verfolgen. Andererseits muss den Düsseldorfer Symphonikern (Düsys), Christian Ehring und allen, die hinter den Kulissen agieren, um diese Übertragung kostenlos(!) möglich zu machen, ein großer Dank für ihr Engagement ausgesprochen werden. Denn so kommt das Publikum an diesem 8. November doch noch in den Genuss des angesetzten Konzerts.

Willkommen im digitalen Zeitalter

Während die Düsseldorfer Symphoniker ihre Plätze auf der Bühne einnehmen, erhascht die Kamera einen Blick auf die leeren Stuhlreihen. Der Applaus wird fehlen, keine Frage. Doch die Technik erlaubt Großaufnahmen der Musiker und damit einen Einblick in ihr Musikzieren, wie es sonst nur Live-Übertragungen im Fernsehen möglich machen. So heißt denn auch der Gastgeber Ehring das Publikum „willkommen im digitalen Zeitalter“. Nicht ohne hinterher zu schieben: „Sie fehlen mir jetzt schon“ und seiner Sorge Ausdruck zu verleihen, dass „das Virtuelle das neue Normal wird“. Zumindest sei das Publikum zuhause sicher, auch wenn es das ebenso in der Tonhalle gewesen wäre. Es sei ein „historischer Tag nach einem historischen Tag“, meint der Kabarettist in Anspielung auf die Entscheidung für Joe Biden als nächstem Präsidenten der USA.

Fakten statt fake News

An diesem besonderen Nachmittag geht es laut Ehring „um harte Fakten, um historisch informiertes Musizieren und nicht um fake News“. Schließlich wüssten ja alle, dass Bach lieber Free Jazz gehört habe als Motörhead und Mendelsohn-Bartholdy keine Sushi-Bowls mochte, schiebt der Moderator augenzwinkernd hinterher.

Kabarettist Ehring stellte Bezüge zu aktuellen Ereignissen wie der USA-Präsidentschaftswahl und Demonstrationen von Corona-Leugnern in Leipzig her. - Foto: Susanne Diesner

Früher so erfährt das Publikum zuhause an den Bildschirmen – also während des Barock – sei alles „eher leiser, dezenter, filigraner“ gewesen. Da habe man die Geigen mit Darm anstatt mit Stahlsaiten bespannt. Zwar sind nicht viele historische Instrumente so gut erhalten, dass darauf gespielt werden kann. Aber die Düsys versuchen dennoch die Stimmung dieser Zeit mit ihrer Instrumentierung nachvollziehbar zu machen.

Denn je lauter die Welt wurde, desto lauter wurden auch die Instrumente. Dabei tue es ab und zu ganz gut auch einmal zurückzutreten und etwas leiser, dezenter zu werden, findet Ehring. Der nach eigenem Bekunden immer noch ganz unter dem Eindruck der US-Wahl stehe. Mit einem Präsidenten, der den Begriff der alternativen Fakten geprägt habe und einem nächsten Präsidenten, der bereits habe anklingen lassen, dass es zukünftig wieder mehr Objektivität geben werde. Die wiederum habe offenbar den Demonstranten und Corona-Leugnern tags zuvor bei ihrer Demo in Leipzig gefehlt. Da sei es im Zeitalter der Aufklärung schon anders gewesen, schlägt Christian Ehring dann den Bogen zur Bach‘schen Familiengeschichte. Denn der Komponist hatte reichlich Söhne, die er alle in die Musik drängte. Von ihnen sei Carl Philipp Emanuel der erfolgreichste gewesen, wenn er auch lieber Jurist geworden wäre. Mit dem Zitat: „Aus der Seele muss man spielen und nicht wie ein abgerichteter Vogel“, stimmen die Düsseldorfer Symphoniker Symphonie e-Moll Wq 177 aus seinem Werk an.

Mendelsohn – das verkannte Genie

Neben Bachs Filius Carl Philipp Emanuel, spielt das Orchester die Streichersymphonie Nr. 8 D-Dur in vier Sätzen von Felix Mendelson Bartholdy, der aus der frühen Romantik zurück auf den Barock schaute und im zarten Alter zwischen zwölf und vierzehn Jahren eben diese von insgesamt zwölf Streichersymphonien komponierte. Schumann nannte Mendelssohn den Mozart des 19. Jahrhunderts, der auch durch Händel, Haydn und Bach beeinflusst wurde. Doch nach seinem Tod verdrängte man ihn – nicht zuletzt durch die Nazis – in die hinteren Reihen der Komponisten. Zu Unrecht, wie die Düysis zeigten.

Bewusstsein für die Situation der Musiker schärfen

Sicherlich kann der kostenlose Live-Stream von Konzerten und anderen kulturellen Veranstaltungen nicht die Zukunft einer ganzen Branche sein. So verweist auch die Violinistin und Orchesterleiterin Anne Katharina Schreiber, dass es ins Bewusstsein der Gesellschaft dringen muss, dass Musiker nur Geld verdienen, wenn sie auch live spielen dürfen.

Violinistin und Orchesterleiterin Anne Katharina Schreiber, verweist darauf, dass es ins Bewusstsein der Gesellschaft dringen muss, dass Musiker nur Geld verdienen, wenn sie auch live spielen dürfen. Foto: Foppe Schut

So bleibt von diesem Nachmittag der Eindruck: Orchester und Moderator sind froh, überhaupt auf der Bühne stehen zu dürfen und hoffen darauf, dass es bald wieder anders sein wird. Der Zuschauer zuhause saß optisch auf jeden Fall in der ersten Reihe, akustisch und emotional ist die Onlineausgabe natürlich nicht mit einem Live-Konzert vergleichbar. Dennoch möchte man danken, dass es überhaupt möglich wurde und sei es auch nur, um uns allen noch einmal bewusst zu machen, worauf wir seit Monaten und wahrscheinlich auch noch auf längere Zeit verzichten werden müssen.

Informationen über das Programm der Tonhalle Düsseldorf, unter anderem mit der Aktion Sofa Konzerte, die von den Düysis im Dezember angeboten werden, gibt es unter: www.tonhalle.de.

Claudia Hötzendorfer

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