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Holocaust-Überlebende spricht für Schülern im Düsseldorfer Kom(m)ödchen

Auf der Bühne steht eine kleine dunkelhaarige Frau mit Brille, die sich an ihre Kindheit erinnert. Gebannt und berührt hört ihr das Publikum im Düsseldorfer Kom(m)ödchen zu. Halina Birenbaum spricht schnell und man spürt, wie sehr sie die Erlebnisse von damals aufwühlen, wütend und traurig machen. Die heute 89-jährige erlebte den Holocaust im Warschauer Ghetto und in verschiedenen Konzentrations- und Vernichtungslagern. Dabei verlor sie ihre Eltern und einen Bruder. Dass der ältere Bruder Marek das Grauen überlebt hatte, erfuhr sie erst nach ihrer Befreiung. Bis dahin war sie überzeugt, niemanden mehr zu haben.

Halina Birenbaum sprach vor Schülerinnen und Schülern im Kom(m)ödchen über den Holocaust, beim dem sie fast ihre ganze Familie verlor. - Foto: C. Hötzendorfer

Im Publikum sitzen Schülerinnen und Schüler der Lore-Lorenz-Schule. Seit 2010 organisiert das Berufskolleg regelmäßig Fahrten nach Oświęcim (der polnische Name für Auschwitz). Immer dabei, das in zehn Sprachen übersetzte Buch Die Hoffnung stirbt zuletzt von Halina Birenbaum. Der Brief eines Schülers hat sie so tief bewegt, dass sie den weiten Weg aus Haifa, wo sie heute mit ihrer Familie lebt, auf sich genommen hat, um den jungen Leuten als Zeitzeugin von ihren Erlebnissen zu berichten.

Sie habe, sagt sie, oft das Gefühl gehabt sich rechtfertigen zu müssen, dass sie überlebt habe, während so viele sterben mussten. Dabei schiebt sie den Ärmel ihres weißen Strickpullovers hoch und zeigt die tätowierte Lagernummer: 48693.

Odyssee führte Halina in verschiedene Lager

Ihre Odyssee begann 1940 mit der Bombardierung Warschaus. Der Hunger und das verlorene Zuhause waren nur ein Vorgeschmack auf das, was die gerade 11-jährige in den folgenden Jahren durchleben musste. Drei Wochen lang war ihre Familie auf der Flucht vor der Deportation. „Wir hatten immer noch Hoffnung“, erinnert sie sich, „dass sich alles zum Guten wenden würde. Hitler, dachten wir, kann nicht lange an der Macht bleiben.“ Ihr Bruder Marek habe ihr geraten, alles aufzuschreiben.

Halina beantwortete im Anschluss an ihren Vortrag noch Fragen des Publikums. - Foto: C. Hötzendorfer

Ihre Mutter und ihr anderer Bruder starben in Majdanek, der Vater in Treblinka, sie selbst kam nach Auschwitz. „Meine Adresse war Block 27. Meine Pritsche ist noch immer da.“ Das hat Halina bei einem Besuch in der Gedenkstätte herausgefunden. „Da wurde mir klar, ich lebe noch und niemand wird mir mehr sagen, was ich zu tun habe“, sagt sie.

Starke Persönlichkeit

In den vergangen zwei Wochen hat Halina Birenbaum dreizehn Vorträge gehalten. Ihre Lebensgeschichte erzählt die gebürtige Polin immer im Stehen und auf Deutsch. Das hat sie von den Besatzern gelernt. Kurz vor der Befreiung von Auschwitz wurde sie noch einmal ins KZ Ravensbrück verlegt. Als man sie dann in ein Lager nach Neustadt-Grewe kam, sah Halina „wie der Flieder blühte. Diese schöne Landschaft. Wie konnten sie nicht wissen, was in den Lagern passierte?“, fragte die inzwischen 16-jährige. Da schwor sie sich, wenn sie frei käme, würde sie irgendwann zurückkommen „in diese schönen Häusern und den Menschen erzählen, was uns angetan wurde“. Dieses Versprechen hat sie gehalten und schrieb nicht nur ein viel beachtetes Buch, sondern hält seit vielen Jahren immer wieder Vorträge.

„Ich habe noch nie so eine starke Frau erlebt“, bilanziert eine Schülerin im Anschluss an ihren Bericht und auf die Frage eines Schülers, ob sie die Deutschen nicht hassen würde, sagt Halina: „Ich hasse sie nicht, ich hatte Angst vor ihnen.“

Claudia Hötzendorfer

 

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