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Gretchen Dutschke zu Gast bei den Düsseldorfer Literaturtagen

„Die 68er haben uns die antiautoritäre Gesellschaft, die Frauenbewegung und ein gelebtes Verständnis von Demokratie gebracht. Darauf sollten wir stolz sein“, sagt Gretchen Dutschke. Sie war im Rahmen der Düsseldorfer Literaturtage zu Gast im Palais Wittgenstein und diskutierte mit der Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal über das Erbe ihrer Generation.

Gretchen Dutschke (r.) signiert ihr Buch im Palais Wittgenstein, l. Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal. - Foto: c. Hötzendorfer

1968 – das ist 50 Jahre her und dennoch strahlt das, was vor fünf Jahrzehnten angestoßen wurde, bis in die heutige Zeit hinein aus, davon ist Gretchen Dutschke fest überzeugt. In ihrem dritten Buch 1968 - Worauf wir stolz sein können, lässt sie die Ereignisse einer Zeit, die sie „wie einen Rausch“ erlebte, Revue passieren. Bei ihrem Besuch im Palais Wittgenstein kommt die Theologin und Autorin ins Gespräch mit dem Publikum und verrät, dass eigentlich sie, die Idee des Lebens in einer Kommune einbrachte, die später von Dieter Kunzelmann, Fritz Teufel, Rainer Langhans und anderen schließlich in der Kommune 1 umgesetzt wurde. „Ich war schockiert wie der SDS damals mit den Frauen umging“, sagt Gretchen Dutschke rückblickend. Sie fand, da müsse sich dringend etwas ändern und dies betraf auch die Art, wie junge Leute zusammenleben könnten.

Moderiert wurde der Abend von der Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal. Drei Jahre nach 1968 geboren, repräsentiert sie den Blick der nächsten Generation auf den Mythos, den diese Zeit umgibt. Wie war das, als die Amerikanerin Gretchen nach Deutschland kam und sich ausgerechnet in einen jungen DDR-Flüchtling verliebte? „Nicht so einfach“, erinnert diese sich. Nicht nur die Eltern mussten von der Verbindung überzeugt werden, auch Freunde des Paares hatten so ihre Bedenken. Denn bei ihnen galt die Ehe als Institution und war verpönt. Frauen wurden ohnehin nur als nettes Beiwerk betrachtet. „Wir haben Für und Wider abgewogen. Damals zahlte der Senat jedem Paar, das in West-Berlin heiratete 3.000,- Mark. Das war ein überzeugendes Argument“, gibt sie lächelnd zu.

Gretchen Dutschke stellte sich den Fragen des Publikums. - Foto: C. Hötzendorfer

Auf die Frage von Mithu Sanyal, wie es denn war, Ulrike Meinhof zu treffen, räumt Gretchen Dutschke ein, dass die Konkret-Kolumnistin „Rudi offensichtlich sehr gemocht“ habe, was sie selbst „nicht so schön“ fand. Obwohl sie mit 1968 viele positive Anstöße für die Gesellschaft verbindet, hat sie an das Jahr durch das Attentat auf ihren Mann Rudi persönlich eher traurige Erinnerungen. Genugtuung gab ihr, dass die Straße vor dem Springer-Hochhaus in Berlin, nach ihrem 1979 an den Spätfolgen des Attentats verstorbenen Mann benannt wurde, wenngleich der Verlag danach den Eingang zum Gebäude verlegt habe. „Das wollten sie dann wohl doch nicht, dass ihr Haus von der Rudi-Dutschke-Straße aus betreten wird“, schmunzelt sie. Die Springer-Presse hatte großen Anteil daran, dass Rudi Dutschke als Aufrührer und Unruhestifter in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.

Auf die Frage aus dem Publikum, ob wir heute wieder eine Bewegung wie 1968 brauchen könnten meint die gebürtige Amerikanerin: „Es gibt ja bereits wieder Bewegungen in den USA und zum Teil auch in Europa. Da halte ich es mit Ernst Blochs Prinzip der Hoffnung.“ Das wichtigste Vermächtnis der 68er sei für sie: Nie wieder Krieg.

Claudia Hötzendorfer

 

Buchtipp:

Gretchen Dutschke-Klotz

1968 – worauf wir stolz sein dürfen

Kursbuch Edition, 224 S., 22.- Euro

 

 

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