Springe zum Inhalt

Filmtipp: Gelungene NRW-Premiere von Meine Brüder und Schwestern im Norden

„Ich glaube, wir differenzieren nicht zwischen dem Volk und der Regierung Nordkoreas“, bilanzierte Sung-Hyung Cho im Anschluss an eine gelungene NRW-Premiere ihres Dokumentarfilms Meine Brüder und Schwestern im Norden am Mittwochabend im Düsseldorfer Bambi-Kino. Die Regisseurin reiste mit ihrem kleinen Team nach Nordkorea, um „herauszufinden, wie viel Alltag bei diesem Regime möglich ist“. Die gebürtige Südkoreanerin zeigt Seiten eines abgeschotteten Landes, das wir nur aus dem Fernsehen kennen und mit Bildern von Massenaufmärschen, Militärparaden und einem totalitären Regime verbinden.

Filmemacherin Cho mit nordkoreanischen Militärs. Foto: Kundschafter Filmproduktion
Filmemacherin Cho mit nordkoreanischen Militärs. Foto: Kundschafter Filmproduktion

Nordkoreas Landschaft ist an vielen Orten noch geprägt durch eine unberührte Natur und von weitem betrachtet, wirkt die Hauptstadt Pjöngjang auch nicht anders als jede beliebige Metropole. Dies ist der erste Eindruck, den der Zuschauer von Sung-Hyung Chos Dokumentation Meine Brüder und Schwestern im Norden hat. Die gebürtige Südkoreanerin lebt in Frankfurt und wurde einem breiten Publikum durch ihren Debütfilm Full Metal Village (2006), über das Dorf Wacken bekannt, das einmal im Jahr zur Pilgerstätte für Heavy Metal Fans wird. Ihre Heimat Korea ist seit 70 Jahren geteilt und sie durfte nur in den Norden reisen, um dort zu drehen, weil sie einen deutschen Pass hat. „Was wird mich erwarten?“ fragt sich die Filmemacherin auf dem Hinflug nach Pjöngjang. Frei durch das Land reisen, darf sie natürlich nicht. Die Menschen, die sie treffen wird, sind vom Regime vorausgewählt. Dennoch gelingt es Sung-Hyung Cho dem Zuschauer einen Blick in eine Gesellschaft zu erlauben, die außerhalb Nordkoreas nur als uniformierte Masse, mit einer ans Hysterische grenzenden Liebe zu ihrem Führer, wahrgenommen wird.

Befremdlich

Schon die Kleinsten werden auf die Partei eingeschworen und mit Sie angesprochen. - Foto: Kundschafter Filmproduktion
Schon die Kleinsten werden auf die Partei eingeschworen und mit Sie angesprochen. - Foto: Kundschafter Filmproduktion

Diese Hingabe an Kim Jong-Un und dessen Vorgänger wird immer wieder von den Protagonisten im Film betont und erscheint uns doch sehr befremdlich. Vor der NRW-Premiere im Bambi-Kino hatte die Regisseurin noch darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, „zwischen den Zeilen“ zu lesen, um den Film wirklich verstehen zu können. Im sich anschließenden Publikumsgespräch räumte sie auf die Frage, ob das Regime den fertigen Film gesehen habe ein: „Ich glaube, sie sehen den Film anders als wir“, denn sie habe Zustimmung signalisiert bekommen. Cho spricht damit u. a. eine Szene in einer Kaderschmiede für Fußballtalente an. Die Lehrerin erklärt dem Filmteam, dass die Kinder gar nicht mehr nach Hause wollten, weil es gutes Essen oder einen Fernseher gäbe. Dem Zuschauer wird in dem Moment klar, dass sie Zuhause wohl hungern müssten und deshalb in der Fußballschule bleiben wollen.

Wenig Freiraum

Die Arbeiterin in einer Stofffabrik müssen jeden Tag Gymnastik machen. - Foto: Kundschafter Filmproduktion
Die Arbeiterin in einer Stofffabrik müssen jeden Tag Gymnastik machen. - Foto: Kundschafter Filmproduktion

Wenig Mitspracherecht haben die Menschen, wenn es um ihre Karrierewünsche geht. Das betrifft besonders die Frauen. Sie müssen zehn Jahre Militärdienst leisten und dies bis zu ihrem 55. Lebensjahr. Ehen werden in der Regel arrangiert und für Berufe werden sie empfohlen. Eigene Wünsche und Vorstellungen oder gar Kreativität sind nicht gefragt. Im Gegenteil, der Leistungsdruck und die Uniformität beginnen schon in der Schule (die Schüler werden vom Kleinkindalter an übrigens gesiezt) und setzen sich bis in die jeweiligen Arbeitsplätze fort. Ob es nun um die Mitarbeiter eines riesigen Wasserfreizeitparks in Pjöngjang geht oder die Näherinnen in einer Fabrik. Uniformen lassen nur wenig Raum für Individualität. Besonders beim Besuch in der Nährfabrik zeigt sich das Leistungssystem. Jeden Morgen wird das Tagessoll vorgegeben. Wurde dies erreicht, wird es am nächsten Tag „zum Dank“ weiter angehoben. Die Mitarbeiterinnen werden nach einem Punktesystem bewertet und vor versammelter Belegschaft gelobt oder getadelt.

Hoffnung auf Wiedervereinigung 

                                                                                                                                                       Sung-Hyung Chos Fazit: Sie wurde sehr freundlich von ihren Landsleuten im Norden aufgenommen, die sich sehnlichst die Wiedervereinigung mit dem Süden wünschen. „Die Menschen im Norden hassen die Südkoreaner nicht, wie man vielleicht denken würde. Im Gegenteil, ich wurde wie eine Landsmännin freundlich empfangen“. Erschreckend sei für sie, dass die Südkoreaner weder eine Wiedervereinigung wollen, noch wirklich anstreben. „Entweder hassen sie Nordkorea oder es ist ihnen völlig egal“, so Cho.

Meine Brüder und Schwestern im Norden ist wirklich sehenswert. Nicht nur, weil der Film handwerklich gut gemacht ist und einen Blick in ein Land wirft, das sich mit allen Mitteln nach außen abschottet, sondern auch weil es uns die Menschen, die dort leben näher bringt. Die oft mit wenigen Mitteln ihr Leben bestreiten müssen. Natürlich wirft der Film auch sehr viele Fragen auf, schließlich durfte Cho sich ja nie ohne Aufpasser im Land bewegen. Aber der Film berührt gerade auch deshalb, weil sie selbst nicht wertet, sondern nur dokumentiert.

Claudia Hötzendorfer

 

MBUSIN_Plakat_A4_72dpi Kopie

Meine Brüder und Schwestern im Norden

Verleih: Farbfilm

Start: 14.07.2016

Länge: 106 Min.

Regie:  Sung-Hyung Cho

Trailer: http://www.farbfilm-verleih.de/filme/meinebruederundschwesternimnorden/

 

 

© 2016 by Claudia Hötzendorfer – Silent Tongue Productions

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert