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Düsseldorf als Epizentrum der Taiko-Kunst

Einst dienten Taiko-Trommeln in Japan als Kontaktvermittler zu den Göttern. Sie gaben den Rhythmus für die Feldarbeit vor oder beeindruckten den Gegner vor der Schlacht. Heute sind Taiko-Ensembles wie Kodo, Tao oder Yamato weltweit gerngesehene Show-Acts. Die aus Osaka stammende Formation Kokubu hingegen, stellt wieder den spirituellen Aspekt des japanischen Trommelns in den Vordergrund. Eine Spurensuche …

Das Taiko-Ensemble "Kokubu" aus Osaka zelebriert die spirituelle Seite des Taiko. - Foto: Kokubu

Die Bühne ist noch dunkel. Leichte Flötenklänge erfüllen den Raum. Gespannt lauschen die Zuhörer ihnen nach. Dann folgen ebenso leichte hohe Trommelschläge, die entfernt an Regentropfen erinnern. Sie werden schneller, lauter, intensiver und bald kommt ein neuer Klang hinzu: Tiefer, dunkel und erdig. Spätestens jetzt ist das Publikum im Bann der Taiko-Trommler, die auf der Bühne breitbeinig vor mal fassgroßen, mal kleinen Trommeln auf Holzgestellen stehen. In den Händen halten sie die so genannten Batchis, zwischen 40 und 50 cm lange Holzstöcke, die bis zu 0,3 cm Durchmesser haben können.

Die Trommeln werden mit so genannten Batchis gespielt, zwischen 40 und 50 cm lange Holzstöcke, die bis zu 0,3 cm Durchmesser haben können. - Foto: Kokubu

Die aus Japan stammende Tradition des Taiko fasziniert immer mehr Menschen weltweit. Insbesondere in Deutschland erfreut sich das Spiel auf unterschiedlich großen Trommeln einer immer größeren Beliebtheit.

Das Epizentrum des Taiko in Deutschland

Zum Epizentrum entwickelte sich in den letzten Jahren Düsseldorf. Dort lebt die größte japanische Community außerhalb Japans und hält ihre Traditionen auch fern der Heimat aufrecht. So finden im Edo-Haus mit seiner Tempelanlage und einem Zen-Garten, regelmäßig Tee-Zeremonien statt. Der einmal jährlich veranstaltete Japan-Tag zelebriert die fernöstliche Kultur von der hohen Kunst des Blumenbindens Ikebana und Papierfaltens Origami, über die Anprobe klassischer Kimonos und Vorführungen in einem Samurai-Dorf, bis hin zur modernen Manga-Kunst. Eine feste Größe im Programm und vom Publikum immer wieder mit Spannung erwartet, sind die Auftritte der japanischen Trommler.

Die Düsseldorfer Formation Wadokyo ist seit Jahren eine feste Größe in der Taiko-Szene. - Foto: Kaiser Drums

Parallel dazu hat sich in der Landeshauptstadt eine aktive Szene entwickelt, die in Seminaren und Workshops das Spiel auf den großen Instrumenten lernt. Am 14. und 15. Juni werden außerdem zum zweiten Mal die International Taiko Concert Nights ausgerichtet, die einen spannenden Einblick in die verschiedenen Stile und Varianten bieten.

Hohe Kunst und lange Tradition

Doch was ist es, was die Menschen überall auf der Welt so sehr berührt, wenn sie den Klang der Taiko (übersetzt aus dem Japanischen so viel wie „große Trommel“) hören? Wir haben uns einmal auf Spurensuche begeben und dabei Trommler getroffen, die sich vor allem der spirituellen Tradition des Taiko-Spiels verschrieben haben.

Doch bevor wir im Hier und Jetzt die Entwicklung der Szene beleuchten, zunächst ein Blick zurück in die japanische Geschichte und damit die Anfänge dessen, was wir heute unter Taiko kennen.

Die Trommel diente einst zur Kommunikation mit den Göttern. - Foto: Kokubu

Wie archäologische Funde belegen, ist die Geschichte des Trommelns um 2000 Jahre alt. Wie in allen alten Kulturen, kommunizierte man auch im alten Japan mit den Göttern. Das Pantheon war groß und so waren die Zeremonien ebenso zahlreich, wie die Gottheiten. Trommeln wurden rituell zur Kontaktaufnahme genutzt. Der Schöpfungsmythos erzählt von Amaterasu Omikami. Als „Göttin der Sonne“ war sie von „Mutter Erde“ und „Vater Himmel“ geschaffen worden, um ihre Nachfahren auf die japanischen Inseln hinabzusenden und damit ein Reich zu begründen. Demzufolge nimmt Amaterasu Omikami eine sehr wichtige Rolle in der japanischen Mythologie und damit auch im Shintoismus ein. Ihr zu Ehren werden bis heute viele Feste im Reich der aufgehenden Sonne (!) gefeiert. Fast immer werden die shintoistischen Rituale von Trommelklängen begleitet. In vielen Tempeln stehen deshalb Taiko-Trommeln, für die verschiedenen Zeremonien bereit.

Musik des Volkes

Die Forschung geht davon aus, dass die Taiko, also die große Trommel, zwischen dem 5. und 6. Jahrhundert aus China, Korea oder Indien zusammen mit buddhistischen Einflüssen auf die japanischen Inseln kam.

Ursprünglich galt das Taiko-Spiel als Musik des Volkes. - Foto: Kokubu

Obgleich die Taiko in der spirituellen Tradition verwurzelt ist, galten die Trommeln in der Kaiserzeit zunächst als Instrumente des Volkes. Sie dienten den Bauern, Fischern und Dorfbewohnern als Kommunikationsmittel. So wurden sie geschlagen, wenn Versammlungen anberaumt waren, Gefahr drohte oder um Beginn- und Ende der Arbeit anzuzeigen bzw. die Feldarbeit durch ihren Rhythmus zu begleiten. Es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass der Einfluss eines Dorfes nur so weit reichte, wie der Klang der Trommeln zu hören war. Bis heute sind sie deshalb fester Bestandteil von Volksfesten.

Die Samurai erkannten die archaische Wirkung der Taiko und setzten sie in Schlachten ein. Einerseits, um mit ihrem tiefen weithin hörbaren Klang die Gegner vor dem Angriff zu beeindrucken und anderseits während des Kampfes sich selbst anzuspornen und vergleichbar mit schamanischen Trommeln, sich durch den gleichbleibenden Rhythmus in eine Art Ekstase zu versetzen.

Die Samurai erkannten die archaische Wirkung der Trommelklänge und setzten sie im Kampf ein, um Gegener einzuschüchtern. - Foto: Kokubu

Um das Jahr 700 wurde am kaiserlichen Hof ein Orchester gegründet, das verschiedene Trommelarten mit einbezog. Der sich daraus bildende Stil, ist eine der Wurzeln, aus denen sich die moderne Form des Taiko entwickelte. Ein weiteres Element kommt aus dem traditionellen Theater. Das -Theater setzte als erstes die Shime-Daiko (die kleinste Trommel, mit dem höchsten Ton) ein. Andere Theaterformen übernahmen daraufhin die Percussion. Hier unter anderem das wohl bekannteste Kabuki, entstanden während der Edo-Zeit zwischen 1603-1867, dessen Aufführungen von Taiko-Trommeln begleitet wurden.

Tradition und Moderne

Dieser kleine Ausflug in die Geschichte führt uns nun zurück in die Moderne. Ursprünglich war die Taiko oder auch Daiko genannt, weitgehend ein Soloinstrument. Die Form des so genannten Kumi-Daiko (wörtlich: Taiko-Gruppe) entstand tatsächlich erst Mitte des 20. Jahrhunderts, als der japanische Jazz-Schlagzeuger Daihachi Oguchi ein altes Notenblatt mit Taikomusik überreicht bekam. Nach der Zusammensetzung eines Schlagzeugs formierte er 1951 die Taiko-Gruppe Osuwa Daiko, die auf unterschiedlich großen Trommeln spielte. Seinem Vorbild folgten weitere Taiko-Formationen, die verschiedene Stile ausbildeten. 1969 formierte sich die Gruppe Za Ondekoza Tagayasu. Deren Mitglieder leben auf der Insel Sado, im nördlichsten Teil Japans in einer Kommune. Sie stammen aus allen Teilen des Landes, bestellen gemeinsam Ackerland, laufen täglich mehrere Kilometer und absolvieren ein hartes psychisches Training. Weltweit bekannt wurden sie 1975, als sie nachdem sie gerade den Boston-Marathon gelaufen waren, ein furioses Taiko-Konzert darboten.

Die 1981 gegründete Formation "Kodo" ist heute eine der weltweit bekanntesten Traiko-Gruppen. - Foto: Heinersdorff

1981 splittete sich von dieser Gruppe die Formation Kodo ab, die heute als die wohl weltweit bekanntesten Taiko-Spieler gilt und nach wie vor auf Sado als Gemeinschaft zusammenlebt. Mit ihrem internationalen Erfolg setzte ein wahrer Boom ein und immer neue Gruppen bespielten die Bühnen, darunter Tao und Yamato, die mit ihrer Mischung aus Taiko-Trommeln und Show-Elementen insbesondere ein junges Publikum ansprechen. Das spirituelle Element des Taiko tritt dabei jedoch immer mehr in den Hintergrund.

Das spirituelle Element des Taiko

Diesem Aspekt hat sich hingegen eine andere Gruppe aus Japan verschrieben, die zwar auch internationale Auftritte absolviert, jedoch auf die ganz große Show bewusst verzichtet: Kokubu. Die Formation aus Osaka ist im März und April mit ihrer aktuellen Tour The Sound of Spirit auf Deutschlands Bühnen zu sehen. Vorab erhielten wir die Gelegenheit mit Ensemblegründer und -leiter Chiaki Toyama über die spirituelle Bedeutung der Trommel-Kunst zu sprechen.

Ensemblegründer und -leiter Chiaki Toyama ist ein Meister des Shakuhachi-Spiels. - Foto: Kokubu

Gefragt auf welche Tradition das Spiel des Kokubu-Ensembles wurzelt, erklärt Shakuhachi-Meister Chiaki Toyama:  In Japan gäbe es den bekannten Mythos Ama no iwatobiraki, einer Gottheit, welche tief in einer Höhle lebte. Eines Tages drangen die Töne einer Taiko an sein Ohr „und er empfand solche Freude über den Klang der Trommel“, dass sie ihn aus seinem Unterschlupf hervorlockte. „Ähnlich dieser Sage möchten wir durch unser Trommelspiel bei den Menschen, die uns hören, die Lebenskraft und den Mut ansprechen und ans Licht holen“, erklärt Ensemble-Gründer Toyama die Philosophie hinter Kokubu.

Wenngleich bei einigen modernen Ensembles der spirituelle Aspekt zugunsten von Show-Elementen in den Hintergrund getreten ist, wird Taiko-Trommeln dennoch in der Tradition als heilig angesehen, da „die Trommel die Seele des Spielenden erfasst und spiegelt. Der Spieler wiederum findet durch die Art des Spielens eine Spiegelung seiner selbst im Klang“, bringt Chiaki Toyama die Essenz des Taiko auf den Punkt und führt weiter aus: „Hauptsächlich wollen wir unsere Botschaften in Form von Klängen übermitteln. Je nach Größe der Trommel, nach Rhythmus, Phrasierung, Tempo usw. erklingen unterschiedliche Töne, jedoch ist es im Wesentlichen von der seelischen Verfassung des Spielers abhängig, welche Botschaften und Impulse ausgesendet werden, die so gesehen variationsreich sind.“

"Der Spieler findet durch die Art des Spielens eine Spiegelung seiner selbst im Klang“, bringt Chiaki Toyama die Essenz des Taiko auf den Punkt. - Foto: Kokubu

Jeder einzelne Schlag der Trommel übertrage dabei einen Teil des Trommelnden selbst ins Publikum. „Unsere Spielweise und -technik gründet auf dieser Tradition, so wie jede Spieltechnik einen historischen und kulturellen Hintergrund hat.“

Einfluss des Klangs auf Körper und Geist

Inzwischen ist der Einfluss von Klang und Rhythmus auf Körper, Geist und Seele wissenschaftlich untersucht worden. So lassen sich beispielsweise Veränderungen im Herzschlag und der Gehirnwellen messen, ebenso wie sich Einwirkungen auf Stimmungslage und Bewusstseinszustand erkennen lassen. Taiko zeichnet sich aus einem Zusammenspiel aus Bewegung, Rhythmus und Klang aus. Kein Trommler schlägt stumpf seinen Rhythmus. Die Bewegungen sind vielmehr fließend, je nach dem Thema des Stückes, mal voller Freude und Dynamik, dann wieder eher kämpferisch und vorwärtsstrebend oder auch die Klänge der Natur imitierend und meditativ. Unterstützt werden die Taiko-Trommler in vielen Ensembles durch das Spiel der Bambusflöte Shakuhachi, Zimbeln, Gongs oder verschiedenen japanischen Saiteninstrumenten.

Kokubu spielen sowohl traditionelle Stücke, als auch Eigenkompositionen. Foto: Kokubu

Die einzelnen Stücke sind zum Teil traditionell und zum Teil Eigenkompositionen der jeweiligen Ensembles. So auch bei Kokubu. Sie thematisieren Lebensfreude, das Eins-Sein mit sich und der Natur, den Wechsel der Jahreszeiten oder werden zu festlichen Anlässen gespielt. Zwar gibt es tatsächlich auch eine Notation, doch werden traditionell viele Stücke auch auswendig durch aufsagen gelernt. Wobei die Silben do für rechts und ko für links, so aneinandergereiht werden, wie sie später gespielt werden sollen. Auf diese Weise können Taiko-Spieler sich während des Trommelns frei von ablenkenden Gedanken ganz ihrem Tun widmen, wie Chiaki Toyama bestätigt: „Wenn wir Taiko spielen, wollen wir frei von allen Gedanken sein, denn nur so erklingen ‚reine‘ Töne durch unseren Geist und unsere Seele.“ Auf diese Weise erleben Taiko-Trommler das Spiel als „Hochgenuss“.

Kritik am Show-Charakter moderner Ensembles

Chiaki Toyama sieht die Entwicklungen in der internationalen Taiko-Szene kritisch: „Ich empfinde die aktuelle Wadaiko-Bewegung in vielen Fällen als zu showlastig. Meiner Meinung nach wird zu oft nach dem spektakulären Auftritt gestrebt. Wir möchten die reine und ursprüngliche Kunst vorstellen und basierend darauf haben wir unser Bühnenprogramm entwickelt. Besonders die Themen der einzelnen Werke wollen wir durch Klang und Performance zum Ausdruck verhelfen.“

Durch die Einbindung von Show-Elementen, begeistern Taiko-Ensembles wie Tao auch ein junges Publikum. - Foto: Tao Entetainment Ltd.

Hier sind durchaus Parallelen zur Yoga-Bewegung erkennbar. Denn auch im Yoga haben sich über einen langen Zeitraum unterschiedlichste Stile und Strömungen herausgebildet, die – das sei an dieser Stelle angemerkt – alle ihre Daseinsberechtigung haben, denn sie sprechen sehr unterschiedliche Zielgruppen an. Auch Taiko erreicht Menschen, die unter anderen Umständen vielleicht überhaupt keinen Zugang zur japanischen Trommel-Tradition bekommen würden. Auf Show ausgelegte Formationen wie beispielsweise Tao oder Yamato begeistern vor allem ein junges Publikum, das über diesen (Um-)Weg durchaus auch zu eher traditionell ausgerichteten Gruppen einen Zugang finden kann.

Wie vielfältig die Szene sein kann, beweisen die Ensembles, die nach Düsseldorf zu den International Taiko Concerts Nights anreisen.

Das Taiko-Project aus Los Angeles zeigte bei den "International Taiko Concert Nights" in Düsseldorf, eine moderne Variante des Trommelns. - Foto: Taiko Project

So gastierte im vergangen Jahr das Taiko-Project aus Los Angeles am Rhein und begeisterte mit seiner modernen Interpretation das Publikum. Denn die Trommler gaben Flöten und Saiteninstrumenten sehr viel Raum oder bauten Schlagzeugelemente ein. Damit verliehen sie den einzelnen Stücken eine ganz eigene Dynamik, während die ebenfalls in Düsseldorf gastierenden Kyoshindo aus Genua sich voll und ganz auf die Trommeln konzentrierten.

Spielfreude und meditative Momente

Die von Kokubu interpretierten Stücke haben ihre Wurzeln zwar nicht im Zen-Buddhismus. Dennoch unterstreicht Chiaki Toyama, dass ihre Werke so komponiert würden, dass sie „Seele und Geist der Spieler beflügeln. Wenn wir Freude beim Spielen empfinden, so steigert dies auch die Qualität des Stückes. Natürlich haben wir auch Musikstücke, welche die Seele beruhigen sollen und einen meditativen Charakter haben“, räumt der Ensemble-Leiter ein.

Auch für leise Momente ist Raum bei Kokubu. - Foto: Kokubu

Auf die Frage, welche Botschaft die oft sehr poetischen Titel der einzelnen Stücke haben, stellt er heraus: „In der heutigen Zeit sind unsere Seelen oft verwirrt, die Welt dreht sich so schnell, Veränderungen treffen uns fast täglich. Ich glaube an die unveränderliche Geistigkeit eines jeden Menschen.“ Abschließend verleiht Chiaki Toyama seiner Hoffnung Ausdruck, „unseren Hörern diese Botschaft durch poetische Texte in Einheit mit der Seele des Taiko-Klangs zu übermitteln.“

Text: Claudia Hötzendorfer

Das Interview mit Chiaki Toyama führte Inge Hasswani, Übersetzung: Uwe Bär.

Weitere Infos:

Kokubu The Sound of Spirit-Tour März bis April 2019 –

Termine unter: www.kokubu.eu,

Tickets unter: Tel. 02 21/78 80 22 – 18 oder online unter: www.miro-live.de.

 

2nd International Taiko Concert Nights am 14. und 15. Juni 2019 in Düsseldorf, Robert-Schumann-Saal (im Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5)

mit Takuya Taniguchi (Japan), Fenriks Taiko (Belgien) und Bonten Taiko (Japan), Tickets unter online: www.kaiser-drums.de oder Tel.: 02 11/4 37 07 15

 

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