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Youn Sun Nah und ein heimlich verschicktes Demo-Tape

Youn Sun Nah gehört zu den Sängerinnen, die mühelos Folk, Rock und Pop in Jazz übertragen können. 1995 verließ die Süd-Koreanerin nach ersten Erfolgen in Musicals ihre Heimat Seoul, um in Paris in die Welt der Chansons und des Jazz einzutauchen. 2017 erfüllte sie sich einen langgehegten Traum und nahm in New York das Album She moves on auf. Dort entstand auch ihre aktuelle CD Immersion, die Youn Sun Nah am 23. Mai im Savoy-Theater vorstellen wird. Vorab sprach die Sängerin über geteilte Länder und Freunde, die heimlich Demobänder verschicken.

Die koreanische Sängerin  Youn Sun Nah liebt es Jazz mit Folk, Rock und Pop zu verbinden. - Foto: Q-rious Music

Sie haben Ihre beiden letzten Alben in New York aufgenommen. Wie sehr beeinflusst die Umgebung Ihre Arbeit?

„Ich wollte schon immer dort aufnehmen. Mich fasziniert das Leben dort. Als ich Jazz studiert habe, hörten alle die Platten amerikanischer Musiker und Sänger. Bevor ich dort ins Studio ging, habe ich einige Zeit in New York verbracht, um mich mit dem Ort und den Menschen, die in dieser Stadt leben, vertraut zu machen. Für mich ging damit ein Traum in Erfüllung. Es war eine großartige Erfahrung, amerikanische Künstler kennen zu lernen und ihre Verbindung zur Musik. Jazz ist ja ihre Musik. Sie ist für sie wie Erde und Wasser, etwas ganz Natürliches.“

Sie haben Songs von George Harrison, Leonard Cohen oder für das Vorgängeralbum von Jimi Hendrix, Lou Reed und Joni Mitchell interpretiert. Was reizt Sie daran, diese Stücke neu aufzunehmen?

„Für She moves on habe ich ganz bewusst nach amerikanischen Songwritern gesucht. Für Immersion durften es dann auch britische sein (lacht). Ich glaube, ich bin da in erster Linie einmal ein großer Fan von all diesen Singer/Songwritern. Wenn die ausgewählten Songs zu meinen eigenen passen, nehme ich sie auf.“

Das Hendrix-Stück Drifting, das Sie ausgewählt haben, ist weniger bekannt, zeigt aber, wie talentiert er als Komponist gewesen ist.

„Das war ein Aspekt, der mich fasziniert hat. Ich wollte zeigen, wie schön seine Musik ist. Außerdem liebe ich seine Stücke. Sie sind so voller Poesie und Gefühl, die man vielleicht nicht gleich beim ersten Zuhören entdeckt. Besonders die weniger bekannten Songs sind eine Entdeckung wert. Wir haben Drifting in einem Take aufgenommen. Es hat gleich gepasst.“

Wie war das bei den anderen Stücken?

„Die meisten haben wir tatsächlich auch in einem Take, wie bei einem Live-Konzert eingespielt. Ich mag das. Diesen besonderen Moment einzufangen und auf eine Platte oder CD zu bannen. Ich glaube, das ist auch etwas, was typischer für Jazz-Musiker ist, als für andere Genres.“

Sie kommen aus Süd-Korea, ein zweigeteiltes Land, so wie es Deutschland auch für viele Jahre war. Wie sehr beeinflusst dies Ihre Musik und künstlerische Arbeit?

„Ich kann das nur als Traurigkeit beschreiben. Man fühlt sich als die Hälfte von etwas, dessen anderer Teil fehlt. Das verursacht große Frustration und Resignation, übrigens auf beiden Seiten Koreas. Denn auch wenn wir voneinander getrennt sind, fühlen wir doch das gleiche. Aber da ist auch Hoffnung, dass wir irgendwann wieder vereint sein können, wie es auch Deutschland geschafft hat. All das beeinflusst natürlich auch meine Art Musik zu machen. Selbst wenn ich nicht in Korea bin, ist es doch ein Teil von mir.“

Sie waren künstlerische Leiterin eines Jazz-Festivals in Ihrer Heimat Südkorea. Wie steht es um die Jazz-Szene dort?

„Unserer Regierung fördert vor allem die traditionelle Musik und Künstler, die in dieser Tradition arbeiten. Das macht es leider sehr schwer für Musiker, die beispielswiese Jazz machen wollen. Als mich das Nationaltheater gebeten hat, eine Brücke zwischen koreanischer Tradition und Jazz zu schlagen, habe ich zugesagt. Ich lud europäische Jazz-Musiker ein. Das Festival wurde sehr gut angenommen.“

Sie haben Ihre ersten Karriereschritte im Musical gemacht. In Linie 1. Was hat Sie danach gereizt auch mal Chanson oder Jazz auszuprobieren?

„Meine Eltern waren sowas wie musikalische Pioniere in Südkorea. Meine Mutter gründete den ersten nationalen Chor und mein Vater war maßgeblich an der Entwicklung erster Musicals in Südkorea beteiligt. Für mich waren sie immer Menschen, die extrem hart arbeiteten und ich entschied mich zunächst für ein Literaturstudium. Dann begann ich eine Ausbildung bei einer Modefirma. Als ich diesen Job verlor, hatte ich eine Zeit lang nichts zu tun. Eine Freundin schlug mir vor, singe doch wieder und gehe mal zu einer Audition. Wir hatten in der Schule immer zusammen gesungen, was ich aber erfolgreich verdrängt hatte (lacht). Eine Theatergruppe suchte nach Darstellern für ein Musical und das war Linie 1. Als ich erfuhr, dass es ein Rock-Musical ist, machte ich gleich einen Rückzieher und meinte, niemals! Dafür bin ich einfach nicht gut genug. Meine Freundin schickte daraufhin einfach mein Demo an die Produzenten, ohne mir etwas davon zu sagen. Eines Tages rief mich dann der Regisseur an und meinte, super – ich erwische dich am Telefon. Komm doch bitte vorbei und sing uns vor. Ich bekam tatsächlich die Hauptrolle und von dem Moment an erschien es mir nicht mehr so unmöglich Sängerin zu werden und es war mir klar, wenn dann soll es Jazz sein.“

Sie schreiben auch eigene Stücke, die auf Ihren beiden letzten CDs zu hören sind. Komponieren und texten Sie?

„Beides, aber nicht immer zusammen. Ich habe bei einigen Stücken nur die Musik geschrieben, bei anderen nur den Text.“

Sie werden nicht zum ersten Mal in Düsseldorf gastieren. Im vergangenen Jahr waren sie im Rahmen der Jazz-Nights in der Tonhalle …

„Ein wunderbarer Ort. Ich war total begeistert von der Akustik und der interessanten Architektur. Jemand hat mir erzählt, dass es früher einmal ein Planetarium gewesen ist.  Muss sehr schön gewesen sein, die Sterne zu beobachten. Mir wurde auch erzählt, dass das Savoy-Theater vorher ein Kino war. Ich mag solche Orte mit Geschichte.“

Youn Sun Nah gastiert am 23. Mai im Savoy-Theater Düsseldorf. Tickets und Infos unter: www.savoy-theater.de

Das Interview führte Claudia Hötzendorfer

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